Wie wäre es in diesem schwierigen Jahr mit etwas ganz Besonderem zur Weihnachtszeit? Geschenkideen, die nicht jeder hat? In dieser Reihe stellen wir Dir Menschen vor, die mit ihren handgemachten Produkten uns und unseren Liebsten das Leben versüßen. Heute geht’s ab ins Mittelalter: Claudia von Mittelalterzauber nimmt uns und unsere ganze Familie mit auf ein Abenteuer in die Vergangenheit.
Der Arbeitsalltag vor Corona
Ein lauer Sommertag, blauer Himmel, die Sonne wirft luftige Schattenmuster durch die Blätter der Bäume. Man hört Dudelsack, Pfeifen und Geigen. Holde Maiden und stattliche Ritter schlendern an Marktständen vorbei, die ihre Ware feilbieten. Übermütiges Kinderlachen ertönt, wenn Gaukler, Zauberer oder geharnischte Ritter ihre Vorführungen beginnen.
Donnernder Hufschlag, klingende Schwerter und scheppernde, manchmal quietschende Rüstungen, es riecht nach sonnenwarmen Gras, Sommer und Pferd, der warme Geruch von Zimt und Zucker der frisch gebrannten Mandeln mischt sich darunter.
Das war bis Corona, seit knapp zehn Jahren jedes Wochenende mein glücklicher Arbeitsalltag.
Wenn ich mich kurz vorstellen darf, mein Name ist Claudia und ich arbeite seit Mai 2011 auf Mittelalterfesten. Mittlerweile darf ich den Stand mit mittelalterlichem Kinderspielzeug die „Maximilianus Rüstkammer“ mein Eigen nennen. Zu diesen Festen kam ich durch ein paar Umwege, der Anfang war schwer, der Verdienst manches Mal wankelmütig und oft wurden meine Ware und ich regennass oder vom Winde verweht, aber bereut habe ich es niemals.
Benannt habe ich meinen Stand nach Graf Maximilian von Trauttmansdorff zu Gleichenberg (Steiermark). Viele Leute hatten bereits Probleme die lateinische Form des Namenspatrons meines Standes auszusprechen. Obgleich sie dann gebührend beeindruckt sind, sobald sie erfahren, dass er der Hauptverantwortliche war, durch den das Westfälische Friedensabkommen im 30-jährigen Krieg zustande kam. Die Urkunde „Pax sit christiana universalis perpetua“ sollte eigentlich auch seine Unterschrift zieren, doch war er gesundheitlich leider nicht mehr in der Lage, noch einmal von Wien aus so weit zu reisen.
Mein erster Mittelaltermarkt
An dieser Stelle möchte ich euch kurz von meinem allerersten Markt im Mai 2011 erzählen, als ich lange noch nicht selbstständig war.
Eigentlich sollte ich meine Arbeit auf den Märkten erst später antreten, daher bestellte ich mir, um als Gast brillieren zu können, ein wunderschönes Mittelalterkleid. Just in dem Moment als ich das Päckchen mit dem Kleid öffnete, rief mein damaliger Freund an, um mir mitzuteilen, ich könnte nun doch schon früher mit der Arbeit beginnen. Nichts mit dem Prinzessinnenkleid, rein in die „Bauernkluft“ und mitangepackt.
Samstag Früh öffnete der Markt seine Tore und der allererste Gast, den ich sah, trug MEIN Kleid! Eine Frechheit. Ich arbeitete im Mokkazelt und die Besitzerin meines Kleides war doch glatt ein genauso großer Kaffeejunkie wie ich selbst und alle paar Stunden bei mir zu Gast. Ich war beleidigt wie ein kleines Kind und schickte immer meine Kollegin zu dieser Dame. Die Dame in meinem Kleid war aber hartnäckig und kam fortan jeden Markt, mehrmals! Ich habe mir monatelang wirklich Mühe gegeben, sie nicht zu mögen. Mittlerweile, seit über neun Jahren sind besagte Dame und ich noch immer die besten Freunde.
Die Selbstständigkeit
Als mein Arbeitsverhältnis im Mokkazelt Ende der Saison 2013 endete, war es diese beste Freundin, die mich, neben meinem Vater, am meisten unterstützte, mich selbstständig zu machen. Mit Rat und Tat und mit enormen Mengen an Humor und Kaffee stand sie mir zur Seite. 2015 war es endlich geschafft. Mein Vater und ich fuhren unseren ersten Mittelaltermarkt als eigenständige Händler an. Waren wir aufgeregt. Wir hatten keine so genaue Vorstellung, wie man das Zelt aufbaut, ohne sich unabsichtlich gegenseitig zu erschlagen, Finger einzuklemmen oder einander über den Haufen zu rennen. Es regnete ohne Unterlass, es waren kaum Gäste da, mein (inzwischen leider verstorbener) Hund Garrett verwickelte sich mit der Leine im Ständer, der die Hellebarden aus Holz hielt und riss diesen wenigstens zweimal am Tag um, aber es war mein eigener Stand und es war toll.
Die Resonanz der wenigen Kunden die anwesend waren, fiel überwältigend positiv aus. Die Kinder waren begeistert von den vielen bunten Schwertern, Pfeil und Bogen, Schilden mit aufgemalten Drachen, Ritterhelmen und natürlich meinen selbstgenähten Prinzessinnenkleidern und Wappenröcken. Seither ist mein Stand gewachsen und das Sortiment wurde durchdachter, Auf- und Abbau sind nebenbei bemerkt auch nicht mehr so chaotisch oder schmerzhaft wie beim ersten Mal.
Nun bietet mein Stand so ziemlich alles was das mittelalterliche Kinderherz begehrt. Von wunderschönen Kleidern, Haarkränzen für Nachwuchsprinzessinnen, Schwerter, Schilde und Wappenröcke für Jungritter und so vieles mehr. Da die Nachfrage nach Kleidern für ausgewachsene Prinzessinnen stieg, wurden auch hiervon bereits so einige genäht.
Auf diese Weise, nähte ich in den letzten insgesamt sechs Jahren über 650 Kleider, über 1ooo Kinderwappenröcke, hunderte Schleierkränze und und und… UND ich liebe meine Arbeit immer noch, vermisse sie in Coronazeiten schmerzlich. Mir fehlt der unverwechselbare Geruch nach Pferd, Lagerfeuer, Zimt und Sommer, ich vermisse meine glückselig lächelnden Minikunden, wenn ihre Eltern oder Großeltern ihnen ein Kleid oder einen Wappenrock schenken. Ich vermisse alles an den Märkten, selbst den Stress und den Lärm der Menge und sogar die Fragen, die man mir bis zu fünfzig Mal am Tag stellt.
Die Arbeit während Corona ohne Märkte
Corona hat uns alle hart und kalt erwischt, für mich und auch meine Händlerfreunde war das Jahr eine einzige Katastrophe, bis auf drei Märkte (von 27) auf meiner Liste, wurden alle anderen abgesagt. Viele meiner Etsy-Bestellungen musste ich stornieren (was unerwartet teuer war), weil die US-Grenzen buchstäblich über Nacht geschlossen wurden. Ein Sack voller fertiger Päckchen, die ihre Reise nie antreten würden.
Mein Etsy-Shop „Mittelalterzauber“ (einfacher zu merken als Maximilianus Rüstkammer) läuft bei mir auch nicht sehr gut, damit meine ich eigentlich gar nicht, – ich kenne mich noch viel zu wenig aus, habe kein Geld mehr übrig, dass ich in professionelle Models oder Produktfotografie investieren könnte, oder auch in jemanden, der weiß was er da tut. Zu viel andere, große Shops – wer sollte mich kleinen Neuling wie mich schon finden?
Doch dann kam zum Glück Stefanie mit ihrem tollen Blog und ihrer geistreichen und wunderbaren Idee, ein paar Etsy-Händler vorzustellen. Für diese Chance bin ich ihr unaussprechlich dankbar, dennoch ist das etwas, das ich noch nie gut konnte: meine Ware anpreisen und bewerben.
Ich bin es gewohnt, dass Kunden meine Ware live sehen und fühlen und anprobieren können, auf diese Weise sprechen meine Sachen unbeschönigt für sich selbst.
Die Märkte sind weit mehr als „Arbeit“ als für mich
Ich möchte aber die Chance nutzen, euch von den Mittelalterfesten zu erzählen.
Zum Beispiel erinnere ich mich an das kleine blondgelockte zirka dreijährige Mädchen, dass auf Schloss Gloggnitz ein Prinzessinnenkleid von seiner Mutter bekam. Als es sich im Spiegel sah, zog es den Spiegel zu sich heran und küsste glücklich lächelnd ihr Spiegelbild. Ich erinnere mich an den vielleicht zehnjährigen Buben, der alleine zu meinem Zelt kam, um mich um Erlaubnis bat, sich umsehen zu dürfen, normalerweise nehmen Kinderscharen im Zuckerrausch meinen Stand auseinander, und sich schließlich für einen Wappenrock in den Farben des Herzogs John of Gaunt entschied, sich freudestrahlend in vollendeter Rittermanier vor mir verbeugte.
Ich erinnere mich auch an meine Händlerkollegen, die sich untereinander helfen und unterstützen, obwohl sie teilweise die gleichen Waren verkaufen. An den Samstag vor ein paar Jahren, als tatsächlich von einer Sekunde zur anderen ein Unwetter über uns hereinbrach und Menschen, die mir noch nie begegnet waren, halfen, meine Ware ins „trockene“ Zelt zu bringen, eine Freundin kam von ihrem Stand angelaufen und hielt meine Zeltplanen fest, damit sie der Sturm nicht zerriss, Besucher und Security, die ich nicht kannte, die sich, obwohl sie patschnass wurden, an die Zelte der Händler, die sie nicht kannten, hingen, um deren Zelte am Boden zu halten. Ich erinnere mich auch an Zusammenhalt, die Gemeinschaft, die Freundschaft, ich erinnere mich an fröhliche Gesichter, an Lachen und gute Laune und vor allem an strahlende und staunende Kinderaugen.
Und nun?
Aus finanzieller Sicht sollte ich hier und jetzt dazu aufrufen, euch gleich auf Etsy anzumelden und sofort meinen Shop leer zu kaufen, mein Bankkonto rät mir zumindest dringend dazu.
Das werde ich jedoch nicht tun. Ich war wie gesagt noch nie gut darin, meine Ware anzupreisen.
Diese allseits „bösen und verpönten“ Internetkäufe haben insbesondere dieses Jahr, vielen Geschäften und auch kleinen Händlern das Überleben gesichert oder die immensen Verluste zumindest etwas abgefedert.
Etsy – tatsächlich für Selbermacher?
Zu Beginn war ich wirklich kein Etsy-Fan, ich habe mich jahrelang geweigert, dort einen Shop zu eröffnen, ich hatte ja die Märkte. Den (kleinen) Verkäufern bleibt nach Abzug sämtlicher Provisionen und Einstellgebühren nicht allzu viel übrig und ja, auch auf das Porto wird Provision erhoben. Setzt man die Preise höher, kauft es verständlicherweise niemand mehr.
2020 hat mir jedoch schnell gezeigt, dass wenig besser ist als nichts und ich bin dankbar, dass Etsy uns Kleinen die Möglichkeit bietet, schnell und unkompliziert einen Onlineshop aufzuziehen. Viele, ja unzählige Etsyshops, besonders oft die ganz großen, verkaufen extrem viele (oder sogar ausschließlich) Artikel, die aus Chinafabriken stammen, haben tausende Verkäufe und einige von ihnen machen sich noch nicht einmal die Mühe, eigene Produktfotos zu erstellen – schreiben ihren Shopnamen quer über das Foto, fertig. Andere Shops wiederum sind Chinafabriken.
Am Anfang war ich wütend darüber. So viele Etsyraner schuften Tag und Nacht, um sich ihren Traum von einem eigenen Onlineshop zu ermöglichen in dem sie ihre mit Herzblut, Liebe und Leidenschaft gemachten Waren anbieten können. Das fand ich einfach himmelschreiend ungerecht und doch, wer kann es ihnen im Jahr 2020 übelnehmen? Leben und Leben lassen, das heurige Jahr bietet absolut keinen Platz für Neid oder Missgunst.
Ein Onlineshop als Mittelalterersatz
Am Anfang war Etsy für mich eine Übergangslösung nach dem Motto: Bald darf ich wieder arbeiten und muss mich nicht mit Etsy-Konkurrenten rumschlagen, doch durch die Facebookgruppe der Etsyverkäufer fand ich allmählich Gefallen daran und ähnlich wie auf den Mittelaltermärkten Hilfe, Unterstützung und Rat. Nun möchte ich es bestmöglich und richtig machen. Auch wenn ich noch weit davon entfernt bin, lerne ich täglich dazu.
Die erste und gleichsam härteste Lektion die ich lernen musste war, dass Etsy kein Mittelaltermarkt ist. Merkwürdig, oder? Online bleiben keine Kunden stehen und staunen über die selbstgenähte Ware, fragen ob das schwierig ist, wie es damals im Mittelalter so war und ob dieses und jenes stimmt. Es gibt auf Etsy keine kleinen Kinder die auch noch so gut versteckte Ware finden.
Als bis auf zwei oder drei alle Märkte abgesagt wurden, versuchte ich Teile meiner Ware auf Etsy einzustellen, da es sich allerdings eher schwierig gestaltet Steckenpferde oder 140cm lange Helebarden per Post zu versenden, überlegte ich wie ich mein Sortiment mit vorhandenen Ressourcen an das Interesse der Etsykunden anpassen könnte. Wie zu Beginn bei den Mittelaltermärkten ist das meines Erachtens ein etwas längerer Lernprozess, der bei mir immer noch voll im Gange ist.
Nach einem dreiviertel Jahr, weiß ich nun was Etsy-Kunden wollen: Mich nicht. Aufgeben werde ich dennoch nicht. Ich habe mein Sortiment erneut angepasst und nun habe ich Mittelalterkleider für Groß und Klein, sowie Taschen- bzw. Schlüsselanhänger aus Kaninchenfell, kleine Weihnachtsgestecke, handgenähte Broschen und gehäkelte Hauben. Ich liebe es mit natürlichen Materialien zu arbeiten, liebe es,
wenn man ohne Mühe die Ursprünglichkeit erkennen kann. Und ich versuche für jeden Geschmack und Wunsch etwas Passendes und immer Neues anbieten zu können.
Die Entstehung eines neuen Mittelalterzauber-Produktes/Die heimlichen Lieblinge
Wenngleich man meinen sollte, die Mittelalterkleider als Warengruppe läge mir besonders am Herzen, sind es doch die Taschenanhänger aus Kaninchenfell. Die Felle stammen alle von glücklichen Hühnern, Verzeihung, glücklichen Häschen von einem kleinen, steirischen Bauernhof.
Ich könnte euch jetzt natürlich den Bären oder vielmehr das Kaninchen aufbinden, dass ALLE meine Produkte mit viel Liebe gefertigt werden. Die Wahrheit ist jedoch, dass mir einige meiner Produkte in der Fertigung manchmal ganz schön auf der Nase rumtanzen. Ungefähr drei Anläufe habe ich gebraucht bis ich mir nicht mehr die Finger mit der Ledernadel blutig gestochen habe und ca. fünf weitere Versuche bis die Anhänger so aussahen wie ich es mir vorgestellt hatte. Unmengen Kaninchenhaare schwebten durchs Zimmer, mir in die Nase, in den Mund, in die Augen und am schlimmsten, in meinen Kaffee!
Eines Tages verhalf ich einem störrischen, unkooperativen, halbfertigen Fellanhänger zu einem Ausflug, die Betonung liegt hier auf Flug, quer durchs Arbeitszimmer, ein paar unselige Wünsche zum Geleit, woraufhin mein braver, neuer Hund Oskar ihn umgehend in sein Körbchen in Sicherheit brachte. Seither schlafen der Hund und sein Schlüsselanhänger glücklich und zufrieden in einem Körbchen.
Laufend füge ich neue Artikel hinzu, experimentiere bei Produktfotos und frage mich, was ich für meine Kunden besser machen kann. Wie ich meinen Kunden auch virtuell und über die Distanz hinweg zeigen kann, dass sie mir am Herzen liegen.
Ein sehr guter Freund und auch Hin-und-wieder-Mitarbeiter klingt manchmal wie ein Papagei; seit Jahren sagt er mir immer wieder, dass ich zwar eine ganz tolle Chefin bin aber eben auch eine unglaublich miese Geschäftsfrau, weil ich meine Produkte, seiner Meinung nach und der Meinung meiner anderen Freunde, oft unter Wert verkaufe. Es gäbe keine mitteleuropäische Qualität zu chinesischen Preisen. – Was soll ich dazu sagen? Er hat recht. Ich kann aber nicht anders. Zumindest will ich versuchen, Qualität zu erschwinglichen Preisen anzubieten.
Ich will mit meinen Waren nicht reich werden, möchte nur davon leben können. Und wenn meine Kunden mit meinen Produkten glücklich sind, dann ist das mein Antrieb weiter zu machen und noch besser zu werden.
Für die Zukunft
Helft den kleinen Händlern und kauft ein paar eurer Weihnachtsgeschenke, ob nun für euch selbst oder eure Liebsten, online. Aber bitte vergesst nicht, irgendwann gibt es eine neue Normalität. Und dann gibt es auch wieder die kleinen Läden ums Ecks oder Mittelaltermärkte, die sich über glückliche Gesichter und euer Lachen freuen!
Etsy Shop – Mittelalterzauber
Facebook – Maximilianus Rüstkammer